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Berufsmusiker sind ähnlich belastet wie Hochleistungssportler

Wagner-Opern sind etwas Besonderes. Wer Richard Wagners Musik gerne hört, für den sind die fünf bis sechs Stunden ein Genuß. Doch für die Musiker sind Wagner-Opern ganz schön anstrengend. "Eine sechsstündige Inszenierung von Wagners Götterdämmerung ist mörderisch, gerade für ein kleines Orchester, bei dem niemand ausgetauscht werden kann", sagt denn auch Berthold Warnecke, Dramaturg für den Bereich Oper und Konzert der Bühnen Münster. Deshalb beschloß der Münsteraner Generalmusikdirektor Will Humburg nach der Inszenierung von Wagners Ring-Zyklus, etwas für die Gesundheit seiner Musiker zu tun: Er entwickelte gemeinsam mit dem Institut für Manuelle Therapie und dem Orthopädischen Forschungsinstitut Münster ein speziell auf einzelne Instrumente abgestimmtes Gesundheitstraining.

"Theoretisch ist seit langem bekannt, welche gesundheitlichen Probleme Berufsmusiker haben, praktische Gegenmaßnahmen gibt es bislang aber kaum", so Warnecke. Am meisten betroffen sind die Streicher. Durch die unnatürliche Handhaltung sowie den zur Seite geneigten Kopf kommt es zu Muskelverkürzungen, Verspannungen und Gelenkschmerzen. "Berufsmusiker sind ähnlichen Belastungen ausgesetzt wie Hochleistungssportler", sagt Joachim Wessing, der Leiter des Instituts für Manuelle Therapie. Eine Untersuchung des Orthopädischen Forschungsinstituts Münster belegt, daß etwa 70 Prozent der Orchestermusiker an Wirbelsäulenbeschwerden leiden. "Viele nehmen dies stillschweigend als Teil ihres Berufs in Kauf, hier sollte umgedacht werden", fordert Warnecke.

Beim Münsteraner Modellprojekt wurden 25 der 66 Orchestermusiker behandelt. "Jeder Musiker nimmt zur ersten Behandlungsstunde sein Instrument mit, damit der Therapeut die Haltungsfehler beim Spiel ermitteln kann", erklärt Warnecke im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Es folgt eine Komplettuntersuchung, um akute Schmerzen sowie den Muskelaufbaubedarf festzustellen. Anschließend erarbeiten Musiker und Therapeut in 24 Sitzungen Ausgleichsübungen zur Lockerung von Verspannungen sowie zum Muskelaufbau. "So wird eine höhere Belastungsgrenze und eine entspanntere Haltung erreicht, was letztlich auch der Musik zugute kommt", sagt Warnecke. In den besten Fällen habe der Kraftzuwachs der belasteten Partien um 280 Prozent betragen, so Wessing. Alle 25 Musiker waren nach Beendigung des Programms symptomfrei.

Die Kosten für das Projekt tragen die gesetzlichen Krankenkassen sowie der Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe und die Wiederverwertungsgesellschaft GVL. "Die ursprünglich anvisierte Finanzierung durch den Etat des Orchesters und die Musiker selbst, konnte so vermieden werden", freut sich Warnecke. Die Resonanz bei den Musikern sei gut. "Endlich gibt es ein Modell, das praktisch ausgerichtet ist und nicht nur untersucht und evaluiert", sagt der Institutsleiter. Dies sei bislang einzigartig und habe weltweit Interesse ausgelöst. "Wir hatten sogar schon eine Anfrage aus Kanada."

(Judith Csaba, Deutsche Ärztezeitung)